Alkohol und häusliche Gewalt: Wechselspiel und Folgen
Jun. 2024Häusliche Gewalt – erkennen, ansprechen, handeln
Alkoholkonsum und häusliche Gewalt sind auf komplexe Weise miteinander verbunden. Es besteht eine nachgewiesene Korrelation zwischen Partnergewalt, sei es als Täter oder Opfer, und Alkoholkonsum. Die Sensibilisierungs- und Präventionsarbeit spielt eine Schlüsselrolle, um häuslicher Gewalt entgegenzuwirken.
«Er hat halt gesoffen, und wenn er nach Hause kam, hat er immer rumgeschrien, nichts war recht, wir versuchten alle still zu sein, aber das nützte nichts. Wir kamen einfach ‹drunter›. Am meisten hat es mein Mami getroffen, sie hat er dann schon – wie man so sagt – spitalreif geprügelt. Meine Nase war auch schon gebrochen. Aber zum Arzt ging ich nie. Man kann ja nicht sagen, dass das der Vater gemacht hat.» Jasmin (aus dem Film «Risikokinder – Bleibe stark, egal was passiert» im Auftrag Frauenhaus Luzern).
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO ist Alkohol die psychoaktive Substanz, die am stärksten mit aggressivem Verhalten in Verbindung steht. Auch in Schweizer Erhebungen zeigt sich diese verhängnisvolle Verbindung: Schätzungen von Fachleuten, Studien sowie Erfahrungen aus Opferberatungsstellen deuten darauf hin, dass in der Schweiz etwa jedes zweite Gewaltdelikt im häuslichen Bereich unter Alkoholeinfluss verübt wird. Die Wechselwirkung des Alkohols und der Gewalt ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die sich nicht nur bei Taten häuslicher Gewalt zeigt, sondern auch bei Gewalt im öffentlichen Raum.
Häusliche Gewalt und Alkoholkonsum treten oft gleichzeitig auf
Die Verbindung von gewalttätigem Verhalten und problematischem Alkoholkonsum in einer Beziehung wird als Dualproblematik bezeichnet. Diese kann in allen Milieus vorkommen, unabhängig von soziodemografischen Merkmalen, und auch in allen Alterskategorien: Bereits bei 11- bis 21-Jährigen besteht in Beziehungen ein deutlicher Zusammenhang zwischen risikoreichem Alkoholkonsum und Gewalt. Grundsätzlich gilt dabei: Männer weisen häufiger eine Dualproblematik auf als Frauen.
Alkoholabhängigkeit als Folge von Gewalt – und umgekehrt
Häusliche Gewalt und Alkoholabhängigkeit sind auf komplexe Weise miteinander verbunden: Alkoholkonsum kann die Gewaltbereitschaft erhöhen, umgekehrt kann die ausgeübte Gewalt zu einem problematischen Alkoholkonsum führen. Zudem hat das Erleiden häuslicher Gewalt, insbesondere bei Frauen, Jugendlichen und Kindern, gravierende Folgen und kann eine mögliche Ursache für Sucht- und Beziehungsprobleme sein. Betroffene Kinder haben ein höheres Risiko, später selbst Gewalt auszuüben oder Opfer zu werden. Darüber hinaus leiden sie häufig an langfristigen gesundheitlichen Problemen, da das Trauma der Gewalterfahrung das Stresssystem überlastet und sich sowohl psychisch als auch physisch auswirkt.
Allerdings ist auch klar: Nicht jede Person mit einer Suchtproblematik wird gewalttätig. Alkohol ist meist nicht die eigentliche Ursache für die Gewalt, sondern ein Faktor, der die Gewaltbereitschaft erhöhen kann. Diese hängt aber auch von anderen Faktoren ab: eine erhöhte Impulsivität, fehlende Bewältigungsstrategien, ein soziales Umfeld, das Alkoholkonsum akzeptiert oder sogar fördert oder ungünstige Arbeitsbedingungen.
Prävention im Suchtbereich
Die vom BAG unterstützten Massnahmen zielen darauf ab, die gesundheitlichen, sozialen und gesellschaftlichen Schäden von Suchterkrankungen zu minimieren oder zu verhindern. Jedes Jahr unterstützt das BAG daher Projekte zur Bekämpfung des problematischen Alkoholkonsums. Ein solches Beispiel ist das Programm «Children of Addicts (COA)» von Sucht Schweiz, das verschiedene Massnahmen zur Sensibilisierung des Themas Kinder suchtkranker Eltern in der Schweiz beinhaltet. Ein weiteres Beispiel ist der Aktionstag zu Alkoholproblemen, der im 2023 vom Fachverband Sucht unter dem Motto «Alkohol gegen Stress – Stress mit Alkohol» durchgeführt wurde. Und um Fachpersonen mit praktischen Informationen zum Thema zu versorgen, hat das BAG das Themenheft «Alkohol und häusliche Gewalt in der Schweiz» herausgegeben.